Das Zuhause von Marie-Louise Høstbo

Renommierte dänische Architekturexpertin und Autorin von Secret Places: the architect’s guide to distinctive buildings in and around Copenhagen. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern Agnes, 17, und Telma, 19, im Stadtteil Østerbro, Kopenhagen.

Für Marie-Louise war schon immer klar, dass sie Architektin werden wollte – abgesehen von einer kurzen Zeit, als sie zehn Jahre alt war, in der sie mit dem Gedanken spielte, Gemüsehändlerin zu werden. Doch auch damals war ihre Herangehensweise zunächst, den Grundriss des Lebensmittelladens zu entwerfen.

 

 

Heute ist Marie-Louise eine in Kopenhagen ansässige renommierte Architekturexpertin und ästhetische Beraterin. Mit ihren 25 Jahren Erfahrung in der Branche ist sie auf dänisches Design und Architektur spezialisiert und nutzt ihr umfangreiches Wissen zum Thema, um andere an ihren Kenntnissen teilhaben zu lassen. „Das Wichtigste, was ich in der Architekturschule gelernt habe, war, den Schwerpunkt nicht so sehr auf das Entwerfen zu legen, sondern vielmehr darauf, wirklich zu sehen“, erzählt Marie-Louise. „Dies bildet die Grundlage für mein heutiges Schaffen – nämlich das, was ich sehe, anderen zu vermitteln, und einen Dialog über Architektur in Gang zu setzen, wie wir daraus lernen können und was es repräsentiert.“ Als eines ihrer vielen Projekte ist Marie-Louise die Autorin von Secret Places: the architect’s guide to distinctive buildings in around Copenhagen, das sowohl in dänischer als auch in englischer Sprache veröffentlicht wurde und Marie-Louises Wegweiser zu den 50 am besten erhaltenen, geheimen Architektur-Schätzen der Stadt dokumentiert. „Jedes Mal, wenn ich Gäste hatte, die Kopenhagen besichtigen möchten, zeigte ich ihnen meine Lieblingsorte. Nachdem wir die grundlegenden Dinge wie die Grundtvigskirche, Arne Jacobsens SAS Hotel und die Dänische Nationalbank gesehen hatten, verfügte ich immer noch über eine lange Liste von Orten, die Leute ansehen können. Aber es fehlte mir an Literatur, die ich für die Besuche begleitend heranziehen kann – eine Art Einführung. So kam mir die Idee für Secret Places.“

 

 

Auch wenn sie keinen bestimmten Moment nennen kann, der ihre anfängliche Leidenschaft für Architektur auslöste, erinnert sich Marie-Louise daran, dass sie schon immer eine besondere Faszination für Räume hegte. „Ich kann mich an alle möglichen Räume erinnern, bis in meine frühe Kindheit zurück. Ich habe schon immer gerne gezeichnet und schon in jungen Jahren entwarf ich Grundrisse für verschiedene Räume.“ Dieses Interesse brachte Marie-Louise im zarten Alter von 18 Jahren aus ihrer Heimatstadt Hvide Sande in Westjütland nach Kopenhagen, wo sie an der Königlich Dänischen Kunstakademie Architektur studierte. Während ihres Studiums absolvierte Marie-Louise ein Praktikum bei einem Architekturbüro, das sich auf Regierungs- und denkmalgeschützte Gebäude spezialisierte, und begann bei Dansk Møbelkunst zu arbeiten, einer Galerie, die auf seltene, originale Werke dänischer Möbel aus den 1920er- bis in die 1970er-Jahre spezialisiert ist. Nach ihrem Master-Abschluss setzte sie ihre Zusammenarbeit mit beiden Unternehmen fort. Heute ist Marie-Louise selbstständig, und ihre Arbeit als unabhängige Beraterin in Architektur und Design ist variationsreich und vielfältig: Kein Tag gleicht dem anderen.

„So etwas wie einen normalen Arbeitstag gibt es für mich nicht. Wenn ich schreibe, suche ich zunächst nach Material – entweder in meiner eigenen Bibliothek oder in einer öffentlichen Bibliothek oder Datenbank – und dann schaue ich mir die Gebäude am Nachmittag selbst an und mache Fotos für das Projekt, an dem ich arbeite. Darum gehts bei der Architektur – man muss raus, um sie zu erleben – es reicht nicht aus, nur in einem Buch oder im Internet darüber zu lesen.“

 

 

Auf die Frage nach ihrer liebsten Architekturzeit nennt Marie-Louise einen Zeitraum von 50 Jahren zwischen den 1920er- und 1960er-Jahren, als sich die Architekten in Dänemark von klassischen Ausdrucksformen inspirieren ließen, die in den Funktionalismus übergingen, wobei der Humanfaktor in der Architektur an Bedeutung gewann: „Architektur drückt so viel über ihre Umgebung aus – die Region, die Zeitperiode – aber auch über die Menschen. Unsere Geschichte ist in Ziegelsteinen geschrieben, und jedes Gebäude enthält Erzählungen, eine Atmosphäre und ein taktiles Gefühl.“ Abgesehen von ihrer Expertise in dänischer Architektur ist Marie-Louise auch stark von der japanischen Designtradition beeinflusst, die sich ihrer Ansicht nach nicht so sehr vom skandinavischen Pendant unterscheidet. „Es ist wirklich faszinierend, dass die beiden Regionen so weit voneinander entfernt liegen und dennoch ähnliche Bautechniken entwickelt haben – sie basieren nur auf unterschiedlichen Materialien – in Dänemark verwenden wir Ziegel, während man in Japan zu Papier greift.“

 

 

„Da ich von zu Hause aus arbeite, brauche ich meine Bücher in der Nähe – sie sind die Hauptquelle meines Materials. Aber in ihrer Gegenwart erhalte ich auch das Gefühl, zu Hause zu sein.“

 

Marie-Louises Zuhause, das auch als beruflicher Arbeitsplatz fungiert, birgt zahlreiche Kennzeichen ihres Berufes, am deutlichsten in ihrer umfangreichen Sammlung an Architektur- und Designbüchern, die in jedem der angrenzenden Wohnzimmer zwei Wände beanspruchen: „Da ich von zu Hause aus arbeite, brauche ich meine Bücher in der Nähe – sie sind die Hauptquelle meines Materials. Aber in ihrer Gegenwart erhalte ich auch das Gefühl, zu Hause zu sein.“ Dies fasst Marie-Louises Herangehensweise für die Einrichtung ihres Zuhauses übersichtlich zusammen. Als selbst ernannte „praktische Ästhetikerin“ stellt es einen Raum dar, in dem Funktion auf Intuition trifft, wo Erinnerung und Zukunft zusammenlaufen. Klassische dänische Designstücke aus natürlichen Materialien wie Eiche und Leder sind ebenso vorhanden wie kleine, durchdachte Dekorationen, die aus Souvenirs, geerbten Schätzen und Familienfotos bestehen. Die Farbpalette ist neutral, dezent und beruhigend, sodass Marie-Louises Buchsammlung – ein Kaleidoskop aus Farben und Größen – als dominierendes, dekoratives Element fungieren kann.

 

 

Marie-Louise lebt mit ihren beiden Töchtern im Teenageralter in einer typischen Kopenhagener Wohnung im zentral gelegenen Kopenhagener Stadtteil Østerbro. „Das Wichtigste an einem Zuhause ist, dass es ein freundlicher, einladender Ort ist, an dem man sich wohl fühlt und seine Zeit verbringen möchte“, sagt Marie-Louise. „Es ist wichtig, dass eine gute Atmosphäre herrscht und dass es ein Ort ist, an dem wir reflektieren können – wo sich die Freunde meiner Kinder willkommen fühlen und wo wir alle zusammen eine Tasse Tee trinken und uns zu Hause fühlen können.“