Das Büro von Marie Nipper

DER HIMMEL IST DIE GRENZE. Sie bezeichnet ihr jüngstes Projekt in dem neu eröffneten Kunstmuseum Copenhagen Contemporary als ‚Hummel-Projekt‘, womit ein Projekt verstanden werden soll, das sich seiner Unfähigkeit zu fliegen nicht bewusst ist – genauso wie die Hummel.

DER HIMMEL IST DIE GRENZE. Sie bezeichnet ihr jüngstes Projekt in dem neu eröffneten Kunstmuseum Copenhagen Contemporary als ‚Hummel-Projekt‘, womit ein Projekt verstanden werden soll, das sich seiner Unfähigkeit zu fliegen nicht bewusst ist – genauso wie die Hummel.

Marie Nipper ist stolz auf all das, was sie erreicht hat, während sie aber bescheiden geblieben ist. Bereits in diesem frühen Stadium ihres Lebens hat sie mehr erreicht, als die meisten sich erhoffen können, – als Direktorin eines der vielversprechendsten Kunstinstitutionen Kopenhagens. Mit ihrem Mann Simon Friese, ebenfalls ein gepriesener Kunstschaffender, hat sie zwei Kinder; Uma, fast vier Jahre alt, und das wenige Monate alte Baby August. Kürzlich tauschten sie ihre große Wohnung im Kopenhagener Zentrum gegen ein klassisches Haus in den Außenbezirken ein. Sie empfängt uns in ihrem neuen Haus, um über ihre Arbeit, die zeitgenössische Kunstwelt und die Kunst der Balance zu sprechen.


Der neueste Trend

August hängt ruhig an ihrem Arm, als sie uns mühelos im Haus herumzeigt, uns die Treppe hinauf und in ihr neues Büro geleitet. Das dreistöckige Haus verfügt über ein schönes Büro mit schrägen Wänden und einem Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Es ist sowohl ein Arbeitsraum für Marie und Simon, als auch ein Zimmer für ihre Kinder: Ein runder eingefärbter Tisch und eine Hängewiege sind die hervortretenden Elemente in diesem Raum. Die Kunstwelt ist ein anspruchsvolles Geschäft, doch anstatt zurückzuschrauben, hat sich das Paar so organisiert, dass es inmitten von all dem ein Familienleben unterbringt.

 

 

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“Ich denke, es ist wichtig, Kinder in die Kunst einzuführen...”

 

 

„Ich denke, es ist wichtig, Kinder in die Kunst einzuführen. Mein eigenes Leben war von einer Familie geprägt, in der Kunst eine große Rolle spielte. Wir wollen, dass sie im Copenhagen Contemporary teilnehmen, denn die Möglichkeit, Kunst schon als Kind zu erleben, macht es später im Leben viel einfacher, sie wahrzunehmen“ sagt Marie.

Man gerät leicht ins Stocken, wenn man versucht, der schnelllebigen Karriere von Marie zu folgen – bloß 39 Jahre alt. Es wird deutlich, dass dies nur der Anfang ist. Eine kurze Rekapitulation: Nach dem Universitätsabschluss in Kunstgeschichte bekam sie ihren ersten Job bei ARoS – Aarhus Art Museum. Hier fand sie heraus, dass ihr wahres Talent und ihre Leidenschaft die Dialoge mit den Künstlern selbst waren. Sie erinnert sich: „Künstler bieten alle möglichen Herangehensweisen, was es bedeutet, Mensch zu sein. Ich fand diese Verbindungspunkte sehr inspirierend.“

Während ihrer ersten Karenzzeit mit Uma war eine Position als Senior Curator an der Tate Modern in Liverpool frei. Mit einem 9 Monate alten Baby war ein Umzug nach Liverpool nicht realistisch. Als ihr der Job angeboten wurde, entschied sie sich dazu, zwischen Liverpool und Kopenhagen zu pendeln. Nach einiger Zeit kehrte sie nach Kopenhagen zurück, um dort in Vollzeit als freie Beraterin und Kuratorin zu arbeiten. Schon nach kurzer Zeit wollte die Tate Modern sie zurück haben – diesmal als künstlerische Leiterin. Da sie diesem derart großartigen Angebot nicht widerstehen konnte, ging sie zurück nach England, um die Leitung über die beeindruckende Kunstsammlung dieses weltberühmten Museums zu übernehmen. Vor etwa einem Jahr klingelte ihr Telefon und sie wurde wieder zurück nach Dänemark überredet, um die neue und ambitionierte Galerie des Copenhagen Contemporary zu leiten und zu entwickeln. Und das alles geschah nur in den letzten neun Jahren.

 

 

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Das Bizarre und Schöne

Marie ist zu einer Kunstszene in Dänemark zurückgekehrt, die sich seit ihrem Beginn in der Branche gewandelt hat. Bei den Dänen wurde ein neues Interesse an der zeitgenössischen Kunst entfacht, erklärt sie: „Das Publikum in Kopenhagen ist mutiger geworden – es gibt ein neues Interesse an der zeitgenössischen Kunst. Die Wahrnehmung, dass zeitgenössische Kunst nicht zugänglich sei, hat sich verändert. Nun erfordert es kein ausgeprägtes Wissen mehr, um Kunst erleben zu können. Olafur Eliasson ist ein gutes Beispiel dafür: Man kann seine Arbeit intuitiv mit dem Körper erleben, doch sie bietet eine Komplexität, die jeder in seinem eigenen Tempo herauslesen kann.“

Eine Position in einem international anerkannten Kunstmuseum für eine neu gegründete Institution ohne Geschichte und mit weniger Geld aufzugeben, klingt nach einer überraschenden Wahl, doch spiegelt sie Maries Haltung wider:

„Was ich am Copenhagen Contemporary schätze, ist die flexible Organisation, was bedeutet, dass wir auf neue Ideen schnell reagieren können. Wir wollen eine zwanglose Umgebung um die Kunst herum schaffen und gestalten die Szene mehr urban. Ich habe nicht die Geduld für die Innenorganisation der großen, klassischen Institutionen, obwohl ich sie selbst liebend gerne besuche.“

Marie Nipper verbrachte einen Teil ihrer Kindheit und nach dem Gymnasium einige Jahre in Paris – einer Stadt, die sie als ihre zweite Heimat betrachtet. „Es ist eher die romantische Idee, in Paris zu leben, obwohl ich nicht sicher bin, ob es praktisch ist,“ gibt Marie lachend zu. Die vielen Stunden, die sie in den ehrwürdigen Hallen des Louvre verbrachte, haben bleibende Eindrücke hinterlassen, doch ihre Sichtweise auf die Kunst ist nicht klassisch per se. Überall in ihrem Haus gibt es Kunstwerke – einige Werke sind sogar von Künstlern signiert, mit denen sie gearbeitet hat. Doch nicht alles, was du siehst, ist Kunst auf den ersten Blick. Auf der Fensterbank siehst du eine Skulptur von Tony Matelli – zwei Dosen aufeinander, mit ein paar Spielkarten und einem einzigen Pommes frites; die Karten und das Pommes frites bestehen aus Bronze, einem der schönsten Materialien der Welt. Und links davon liegt eine 1:1-Kopie eines gefrorenen Hähnchens aus Keramik, das Marie auf einer Studentenkunstmesse kaufte.

 

 

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“Kunst, Arbeit, Kinder – das Leben. ”

 

 

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Dies ist keine Kunstshow

Kunst, Arbeit, Kinder – das Leben. Alles ist miteinander verwoben, und das schon seit Jahren. Obwohl Simon und Marie jetzt jeweils ihren eigenen Jobs nachgehen, arbeiteten sie vor vielen Jahren Seite an Seite. Kürzlich gründeten sie gemeinsam den Kunstbuchverlag Roulette Russe. Marie sagt: „Betrachtet man es aus einer strengen Business-Perspektive, ist es keine gute Idee. Aber es gibt etwas mit dem Medium Bücher, auf dem ich gerne bestehen bleibe. Das Buch bleibt von größter Bedeutung, nicht zuletzt für die Künstler, da ein Buch jede Galerieshow überlebt.“

Naturgemäß nimmt Arbeit viel Zeit und Platz ein: „Wir reden zu Hause viel darüber. Da wir beide unterschiedliche Hintergründe haben, ergänzen wir uns gut. Glücklicherweise kommen wir auch dazu, miteinander zu reisen, da nehmen wir die Kinder mit,“ sagt Marie. Obwohl sie in den letzten Jahren gelernt hat, die Dinge laufen zu lassen, und die Bedeutung dessen schätzt, von allem einmal weg zu kommen – wenn auch nur für eine kurze Zeit:

„Wir arbeiten daran, es zu versuchen, unsere Arbeit von unserem persönlichen Leben zu trennen. Heute verspüre ich eine viel stärkere Notwendigkeit, einfach loszulassen, da fahren wir dann zu unserem Haus im Wald. Früher hätte ich meine E-Mails heimlich gecheckt, dieses Bedürfnis habe ich jetzt aber nicht mehr. Ich habe erkannt, dass eine vollständige Flucht manchmal notwendig ist, um neue, inspirierende Ideen zu bekommen.“

Als sie in ihr neues Zuhause umzogen, legten sie die oberste Etage als gemeinsame Bürofläche fest. Grundsätzlich, sagt Marie, könnte sie von überall aus arbeiten. Doch um näher an ihr Ziel zu gelangen, eine Grenze zwischen Arbeit und ihrem Privatleben zu ziehen, definierten sie einen eigenen Ort zum Zurückziehen und Fokussieren – oder nur um sicherzugehen, dass die Arbeit keine Bereiche im Wohnzimmer übernimmt.

Trotzdem ist die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit nicht ganz fertiggestellt: „Es ist mir wichtig, dass es schön ist, hier oben zu sein. Daher haben wir auch einen Platz für die Kinder geschaffen.“ sagt sie. Generell legt Marie Wert auf Atmosphäre. „Ich möchte einen Raum, der verwendet wird. Es ist wichtiger für mich, dass meine Sachen eine Geschichte haben, oder mir ein behagliches und gemütliches Gefühl geben. Das gleiche gilt für die Kunst. Wir haben viele große Stücke und nicht mehr viele Wände zur Verfügung. In der Regel hängen wir sie intuitiv auf – manchmal kommt es dorthin, wo Platz ist. In meinem Zuhause priorisiere ich das Gefühl, das mir die Kunst verleiht; was ich in Kunstshows ja nicht unbedingt tun würde.

Die Dinge sind jetzt anders als früher, als es nur die beiden gab. „Als wir unsere erste Tochter bekamen, geriet ich in Panik darüber, wie sich das auf meine Arbeit und meine Identität auswirken würde. Ich war früher viel unterwegs, zum Glück fanden wir heraus, dass man mit Kindern praktisch alles tun kann. Es ist nur ein bisschen komplizierter.“ Sie lacht, als sie den Ablauf beschreibt, zwei kleine Kinder durch die Flughafensicherheit durch zu bekommen. Es ist die Art des Lachens, die einen davon überzeugt, dass dies ein Fall von Willenskraft ist. Es wird deutlich, dass das, was Marie Nipper sich in den Kopf setzt, auch durchgeführt wird.